Braucht es einen Nothilfekurs für die Autoprüfung?

Bis anhin war der Fall klar. Wer ein Fahrzeug lenken wollte, musste als Zulassungsbedingung den „Nothilfekurs für Führerscheinerwerbende“ besuchen. Seit einigen Tagen berichten Medien darüber, dass die Vereinigung der Strassenverkehrsämter (asa) keinen Sinn mehr in einem solchen Kurs sieht. Dies sei nicht mehr zeitgemäss, jeder habe ein Mobiltelefon zur schnellen Alarmierung und die Hilfe sei heute sowieso schnell vor Ort. Dies die Argumente der Strassenverkehrsämter. Doch was bedeutet dies?

Die ersten Sekunden und Minuten zählen!

Die Tatsache, dass bei medizinischen Notfällen und Unfällen oft die ersten Sekunden und Minuten entscheidend sind, ist unbestritten. In einer Reaniamtionssituation (Patient bewusstlos ohne Atmung) sinkt die Überlebenschance in jeder Minute ohne Hilfe um etwa 10 %. Dies bedeutet, dass der Patient bereits nach 10 Minuten ohne Hilfe fast keine Überlebenschancen mehr hat. Das Argument, dass jeder mit dem Mobiltelefon schnell alarmieren kann und die Rettung schnell vor Ort sei, erübrigt sich damit. Der Patient ist schlicht tot bis die Rettung eintrifft!

Unbestritten ist auch die Tatsache, dass wenn viele Menschen flächendeckend ausgebildet und für die Basismassnahmen der Nothilfe sensibilisiert sind, die Überlebenschancen signifikant höher sind. In der Schweiz überleben gerade einmal 6-7 % einen Herzstillstand ausserhalb eines Spitals (Schweizerische Herzstiftung, z.B. Jahresbericht 2015). Dies trotz der sehr guten medizinischen Versorgung und einem sehr dichten Netz an Rettungsdiensten. Doch das genügt eben nicht. Die ersten Minuten sind entscheidend. Laut dem European Resuscitation Council wären Überlebenschancen bis zu 70% möglich, würde sofort geholfen (ERC Guidelines, Summary of the main changes in the Resuscitation Guidelines). Regionen und Länder, welche die Bevölkerung einbinden und regelmässig schulen, haben eine um Faktoren höhrere Überlebensrate. Spitzenreiter sind dabei die Casinos in Las Vegas. Auch der Kanton Tessin oder Dänemark konnten Überlebensraten von über 40% ausweisen. Im Vergleich zum Schweizer Durchschitt ein Wert welcher rund 7mal höher ist. Nicht zu vergessen dabei: Das sind nicht nur Zahlen. Es geht um Menschenleben!

Aus diesem Aspekt ist die Abschaffung der Pflicht einer Nothilfeschulung als Prüfungsbedingung ein ähnlicher Schildbürgerstreich wie die Demontage der 13 öffentlichen AEDs im Zentrum der grössten Schweizer Stadt.

Was bringt der Nothilfekurs für Führerscheinerwerbende?

Für die Führerscheinprüfung darf nicht irgend ein Kurs absolviert werden. Es muss der „Nothilfekurs für Führerscheinerwerbende“ bei einen durch das Bundesamt für Strassen (ASTRA) annerkannten Anbieter absolviert werden. Äquivalente oder weiterführende Kurse werden in der Regel nicht akzeptiert. Die Kursanbieter und Ausbildenden werden durch die Société Générale de Surveillance SA (SGS) im Auftrag des ASTRA geprüft und zertifiziert.

Die Qualität der Kurse und Kursanbieter ist dennoch sehr unterschiedlich. Von sehr gut bis nach unserer Ansicht klar unzureichend. Dies wird auch immer wieder von Jugend & Sport (J&S) Kursleitern in Kaderkursen bemängelt. Und dies obwohl alle Anbieter zertifiziert sind, auditiert werden und dafür eine ordentliche Gebühr entrichten. Leider war in den letzten Jahren auch immer wieder zu lesen, dass einige zertifizierte Kursanbieter sich ganz und gar nicht an die verbindlichen Vorgaben hielten und aufflogen. Dies ging so weit, dass Kursbestätigungen auch schon mal gegen Entgeld verkauft wurden, ohne dass ein Kurs besucht wurde. Auf unsere Nachfrage beim Verantworlichen seitens SGS wurde erklärt, dass bei den angkündigten Audits jeweils alles in Ordnung gewesen sei und SGS somit keine Handhabe habe. Dies hat First-Responder.ch bewogen auf eine Erneuerung der Zertifizierung und auf dieses Kursformat zu verzichten. Trotz einiger schwarzer Schafe bietet die Mehrheit der serisiösen Kursanbieter qualitativ hochwertige Kurse an.

Der Nothilfekurs für Führerscheinerwerbende bietet eine gute Möglichkeit sich mit dem Thema Hilfe und dem Helfen zu beschäftigen. Dieses Kursformat kann, wenn es richtig moderiert ist ein guter Einstieg für weiterführende Kurse sein. Die Abschaffung dieses Kurse und die Idee der Delegation der Hilfe an den Rettungsdienst ist unserer Ansicht nach ein falsches Zeichen. Dies untergräbt klar die Motivation der Teilnehmenden und den Willen Hilfe zu leisten. Der Kurs wird so als notwendiges Übel (oder auch bald nicht mehr) angesehen. Aus Erfahrung als Kursleiter ist zu sagen, dass die Motivation zu Beginn in manchen Kurse im Keller war. „Man muss den Kurs halt machen…“ Nicht selten kamen dann auch Fragen, ob man nicht etwas früher aufhören könne und ob der zweite Kurstag wirklich Plicht sei. Ganz anders am Ende jedes einzelnen Kurses. Die Teilnehmenden waren jeweils begeistert und merkten, dass das Überleben von Ihnen abhängig sein kann. „Das ist ja gar nicht so langweilig…“. „Das hat Spass gemacht…“. „Ist ja eigentlich ganz einfach Leben zu retten…„. In vielen Kursen wurde weit über die Kurszeit mit Interessierten weiter trainiert und Fragen beantwortet. Bis heute melden sich damalige Kursteilnehmende mit Fragen. Es ist also nicht einfach alles vergessen.

Kursformat und Qualität

Ob das Kursformat das Richtige sei oder ob man dieses Überarbeiten muss, kann diskutiert werden. In jedem Fall muss die Qualität sichergestellt sein. Wünschenswert wäre sicherlich, dass weiterführende und umfassendere Kurse auch für die Zulassung gelten.

Sicherlich sinnvoll wäre eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung vom Kindergarten über alle Schulstufen bis ins Berufsleben. Dies sollte unserer Ansicht nach aber keine lästige Pflicht sein, welche in einem Paragraphen definiert ist. Besser wäre die gesellschaftliche Akzeptanz für Notfall-Schulungen und -Kurse zu fördern. In Regionen und Ländern welche dieses Konzept bereits leben, liegt wie eingangs erklärt die Überlebensrate deutlich höher. Es bräuchte gar nicht viel. Bereits durch die Sensibilisierung der Bevölkerung könnte viel erreicht werden. Kosteneffizient ausgestaltet würde sich dies wohl auch volkswirtschaftlich rechnen.

Fazit

  • Die ins Feld geführten Argumente für die Abschaffung des „Notfhilfekurses für Führerscheinerwerbende“ sind weder stringent noch stichhaltig.
  • Es zählen im Notfall die ersten Sekunden und Minuten. Warten auf den Rettungsdienst führt im schlimmsten Fall zum Tod!
  • Eine flächendeckende Ausbildung der Bevölkerung erhöht die Überlebensrate um Faktoren.
  • Die Akzeptanz für Notfall-Schulungen wird durch Aussagen wie „Jeder hat ein ein Mobiltelefon…“, „Der Rettungsdiesnst ist ja schnell zur Stelle…“ grobfahrlässig untergraben.
  • Jeder ist gesetzlich verpflichtet Hilfe zu leisten! => Nothilfepflicht