In Sachen Sicherheit und Gesundheit hat sich im öffentlichen Sektor viel getan: Brandschutz, IT-Security, oder Gesundheitsschutz gehören heute zur Tagesordnung. Bei einem medizinischen Notfall, etwa einem Herz-Kreislauf-Stillstand, sind hingegen viele Mitarbeiter überfordert – die Konsequenzen sind fatal.

Ein älterer Mann erscheint auf einer Gemeindeverwaltung um ein Formular auszufüllen. Das Prozedere ist komplizierter als erwartet, der Mann wirkt überfordert, reagiert nervös und gereizt. Plötzlich bildet sich auf seiner Stirn kalter Schweiss, sein Kopf wird rot und er sackt zusammen. Wissen die Angestellten auf der Verwaltung wie reagieren? Ist die Verwaltung richtig ausgerüstet? «Das ist leider nicht die Regel», weiss Markus Hebeisen, diplomierter Rettungssanitäter und Geschäftsführer der auf Notfallmanagement spezialisierten First-Responder.ch GmbH. «Bei einem Notfall verlassen sich die Verantwortlichen häufig auf die Ambulanz und ihre Rettungssanitäter, die innert zehn Minuten vor Ort sein müssen. Doch gerade die ersten Minuten sind für das Überleben bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand entscheidend», führt Hebeisen aus. Die Zahlen sind eindrücklich: In den Casinos von Las Vegas etwa, wo jeder Croupier und jeder Sicherheitsangestellte am Defibrillator ausgebildet ist und diese Geräte breit gestreut sind, beträgt die Überlebensquote bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand etwa 70 Prozent. «In der Schweiz sind es über alles gerechnet weniger als 5 Prozent, da ist dringender Handlungsbedarf vorhanden», so Hebeisen. AEDausbildungPolizei_SKR 2011,2

Defibrillatoren sind nicht selbsterklärend

Zwar wurden in den letzten Jahren vielerorts Defibrillatoren im öffentlichen Raum aufgestellt und die Werbung suggeriert, dass diese im Notfall selbsterklärend seien. Markus Hebeisen relativiert diese falsche Sicherheit: «Die Geräte sind schon einfach zu bedienen. Aber es ist wie mit einem Feuerlöscher: Der ist zwar in der Handhabung auch relativ simpel, wenn man im Brandfall aber nicht weiss wo er sich befindet und noch nie einen in der Hand hatte, wird man das Feuer höchstwahrscheinlich nicht bekämpfen können.» Entscheidend ist bei einem Notfall am Arbeitsplatz auch die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Angestellten und Rettungssanitätern. Gerade bei grösseren Verwaltungsgebäuden ist es für die Rettungskräfte oft nicht sofort ersichtlich, wo genau sich der Notfall ereignet hat. «Auch hier kann mit optimal geschultem Personal wertvolle Zeit zum Retten eines Menschenlebens eingespart werden», sagt Hebeisen.

Notfallmanagement abhängig von Einzelpersonen

Ob eine Firma oder eine Verwaltung für den Ernstfall richtig vorbereitet ist, hängt in der Praxis oft von Einzelpersonen ab: Wenn in einem Betrieb eine auf die Gefahren sensibilisierte Person, etwa ein freiwilliger Feuerwehrmann, ein Sanitäter oder ein ehemaliger Jugend & Sport Leiter für die Sicherheit zuständig ist, werde die Notfallschulung oft viel ernster betrieben. Dabei hält sich der Aufwand für den Arbeitgeber gemäss Hebeisen in Grenzen: «Die Kosten für einen Defibrillator inklusive erste Schulung für eine sogenannte ‹First-Responder-Gruppe› belaufen sich auf rund 5000 Franken. Die volkswirtschaftlichen Kosten bei einem Todesfall, der hätte verhindert werden können, liegen aber etwa in der Grössenordnung von 5 Millionen Franken. Vom Leid der Angehörigen ganz zu schweigen.» Zentral ist dabei aber nicht eine einzelne, tagelange Schulung, sondern das stetige Weiterbilden der First-Responder. Schon mit einem halben Tag pro Jahr sind die Angestellten auf einem brauchbaren Wissensstand», versichert Markus Hebeisen, «besser wären aber ein bis zwei Tage jährlich, so wie das bei vielen grossen Firmen heute schon praktiziert wird».

Lernen ist aktives Handeln

«Sinn macht eine solche Notfallausbildung schon bei kleinen Unternehmen, ab etwa 40 bis 50 Mitarbeitern ist sie schon fast Pflicht. Ebenso bei stark frequentierten Behördenstellen», sagt Hebeisen. Wer sich dabei eine trockene Theorieausbildung vorstellt, liegt falsch. «Lernen ist aktives Handeln», lautet das Credo der First Responder, «bei einer individuellen, realitätsnahen Notfallübung lernen die Beteiligten nicht nur Leben zu retten, sondern auch eine ganze Menge über sich selber und das Verhalten und Funktionieren in einer Stresssituation».
Eine Verwaltung, die sich vorbildlich mit Notfallmanagement auseinandersetzt, ist die Gemeinde Wil (SG). Der Wiler Feuerschutzbeamte Bruno Häseli, der auch für das medizinische Notfallmanagement zuständig ist, erläutert de Beweggründe folgendermassen: «Als bei der Feuerwehr ein Defibrillator für ‹First Responder›-Einsätze angeschafft wurde und dieses Gerät nur Tage nach der Einführung schon erfolgreich zum Einsatz kam, war für mich klar: Defibrillatoren sollen auch bei ausgewählten Liegenschaften der Stadt platziert werden. Dieses Projekt wurde dann innert kurzer Zeit realisiert, etwa in Sportanlagen, Schwimmbädern und Mehrzweckhallen, aber auch im Stadtsaal und im Rathaus. Doch damit alleine ist es nicht getan! Darum wurde an den jeweiligen ‹Defi›-Standorten auch das Personal entsprechend ausgebildet. Ich bin überzeugt: Kunden der öffentlichen Verwaltung und Gäste von Anlässen an öffentlichen Plätzen haben das Anrecht auf grösstmögliche Sicherheit – die Defibrillatoren tragen ihren Teil dazu bei.»
Weitere Informationen: www.first-responder.ch

Quote:
«Kunden der öffentlichen Verwaltung und Gäste von Anlässen an öffentlichen Plätzen haben das Anrecht auf grösstmögliche Sicherheit.»

Artikel als PDF:
Auf den Notfall vorbereitet sein und Leben retten.pdf

Quelle:
Patrick Aeschlimann, Auf den Notfall vorbereitet sein und Leben retten, in: Die Schweizerische Kommunal-Revue, 2/2011, S.73-74.